Psalm (Ps) 77: Auslegung und Kommentar
Auslegung und Kommentar zum Psalm (Ps) 77: Trost in Gottes Führung
Ps 77,2: Ich rufe zu Gott und will schreien. Zu Gott rufe ich, und er wolle auf mich hören!
Auch wir werden das in unserer Stunde der Not erfahren: der Gott aller Gnade wird zur rechten Zeit auf uns hören. Zeiten der Not sollen Zeiten anhaltenden Flehens sein. Besonders in Zeiten innerer Anfechtung, wenn Gott sich uns scheinbar entzogen hat, gilt es, ihn zu suchen, und zwar zu suchen, bis wir ihn gefunden haben. Meine Hand ist ausgereckt als Zeichen dafür, dass ich alles von oben erhoffe, als Zeichen dafür, dass meine Hände leer sind und ich darauf angewiesen bin, dass Gott sie mir füllt. Wer also Herzenskummer hat, der denke nicht daran, ihn hinunterzutrinken oder wegzulachen, sondern gehe auf seine Knie, um ihn wegzubeten.
Ps 77,3: Zur Zeit meiner Not suche ich den Herrn. Meine Hand ist bei Nacht ausgestreckt und ermüdet nicht, meine Seele will sich nicht trösten lassen.
Ps 77,3: Unaufhörlich bete ich zu Gott.
Bedenkt die Treue, die ihr Gott schuldet. Eure Berufung besteht darin, dass ihr euch oft die Gegenwart Gottes bewusst macht. Damit euch das einfacher gelingt, bedient euch der Hinweise, die das Schlagen der Uhr euch geben wird, um dann irgendein Akt der Anbetung zu verrichten. Ein solcher Akt könnte dann darin bestehen, in eurem Innersten etwa folgende Worte zu sagen: „Mein Gott, ich bete Dich an“, oder auch „Mein Gott, Du bist mein Gott. Vinzenz von Paul
Ps 77,7: Ich sinne in meinem Herzen nach und es forscht mein Geist.
Forschen: Wozu? Im Psalm 77 geht es nicht ums Forschen im allgemeinen Sinn, sondern darum, dass für den Psalmisten über lange Zeit, Zeichen göttlichen Beistandes ausgeblieben sind, weshalb er befürchtet, dass Gott ihn vergessen oder sich von ihm abgewandt hat. Der Psalmist will also ergründen, wie und warum es so ist, weil das, was er befürchtet, wirklich ein Grund zur Besorgnis wäre, weil wir ohne Gott und seinen Beistand nicht vernünftig leben könnten. Heute kommen Menschen in Not und Bedrängnis, wenn sie von einem Unglück ereilt wurden. Auch hier kommt es zum Nachforschen, und es wird nach den Ursachen geforscht und gefragt .“Warum gerade ich? Darauf bekommt man aber keine zufriedenstellende Antwort. Von einer gläubigen Frau, die an Krebs erkrankt ist, hörte ich, dass sie nicht fragte „warum gerade ich?“, sondern fragte, „warum gerade ich nicht?“ Also gerade andersherum. Die Frage „warum“ wird nicht beantwortet. Besser ist es zu fragen „wozu?“ Wer im Gebet Gott fragt, wozu ihm dieses oder jenes zugestoßen ist, kann darauf eine Antwort bekommen, weil ein Unglücksfall auch ein Türöffner sein kann, bei dem sich völlig neue Perspektiven eröffnen. Auch bei dem Psalmschreiber kam es zu einem Umdenken, weil er sich an die früheren Taten und Wunder Gottes erinnerte. Etwas, was auch uns, zu empfehlen ist. Der Psalmist konnte deshalb zum Lob Gottes kommen. Jörgen Bauer
Ps 77,8-9: Wird denn der Herr auf ewig verstoßen und niemals wieder gnädig sein? Ist es denn ganz und gar aus mit seiner Gnade?
Es kann für das verheißene Heil gar keine Hindernisse geben, die wir zu fürchten hätten. Der Herr wird sich zur Ausführung seines Werkes seinen Weg bereiten. Wenn irgend etwas das Kommen des Reiches Christi zurückhalten könnte, so wäre es unser Unglaube. Wirf dein Vertrauen nicht weg weil Gott seine Verheißung verzieht. Ob die Wege der Vorsehung auch kreuz und quer und rückwärts und vorwärts laufen, so hast du doch ein festes und gewisses Wort, worauf du dich verlassen kannst. Wenn die Verheißungen auch für eine Weile scheinbar verzögert werden, können sie doch niemals ungültig gemacht werden.
Ps 77,10: Hat denn Gott vergessen, gnädig zu sein, und im Zorn seine Barmherzigkeit verschlossen?
Ps 77,12: Ich will gedenken an die Taten des Herrn. Ja, ich gedenke an deine Wunder aus alter Zeit.
Glückliche Seele, die sich in Gott und seine Werke versenken und sich selbst vergessen kann! Wir holen uns Trost, indem wir uns die Güte des Herrn in die Erinnerung zurückrufen, die uns selbst und anderen in vergangenen Zeiten erwiesen wurde. Was wäre auch besser geeignet, alle Klagen zum Verstummen zu bringen und dem unruhigen Herzen die Ruhe des kindlichen Vertrauens zurückzugeben, als eine derartige Betrachtung der göttlichen Güte und Größe?Die Erinnerung ist hervor ragend geeignet, dem Glauben Hilfsdienste zu leisten.
Ps 77,13: Ich sinne nach über alle deine Werke und erwäge deine großen Taten.
Ps 77,14: O Gott, dein Weg ist heilig! Wer ist ein so großer Gott wie du, o Gott?
Diesen Weg nennt er ganz richtig deinen Weg. Mein Weg wird mir immer wieder sinnlos erscheinen, solange ich ihn nur als den meinen ansehe. Kann ich aber sehen, dass es Gott ist, der mich so führt und erkenne ich damit, dass es eben doch sein Weg ist, fällt mir die Bürde von den Schultern, die mich so lange gedrückt hatte. Nirgends ist die Seele freier und nirgends ist sie glücklicher, als wenn sie die Dinge im Licht des Heiligtums sehen kann. Dort wird Gott als der Heilige erkannt und so erkennt der Gläubige, dass Gott in allen seinen Wegen, die er uns führt, heilig ist.
Ps 77,15: Du bist der Gott, der Wunder tut.
Gott tut Wunder. Er tat sie in der Erschaffung der Welt, in der Erlösung seines Volkes und er tut sie fortwährend auch heute. Fortwährend gibt er Licht und Leben, erhält alles Lebendige und ernährt alle und alles. Er führt uns aus dem Dunkel des Grübelns und bösen Denkens heraus ans Licht. Mit seinem Arm erlöst er uns. Dieser Arm ist niemand anders, als der Messias und Heiland Israels. Er aber bleibt derselbe gestern, heute und in Ewigkeit..
Ps 77,16: Du hast dein Volk erlöst mit deinem Arm.
Ps 77,20: Deine Fußstapfen waren nicht zu erkennen.
Deine Wege sind dem Auge der Sterblichen verborgen. Deine Absichten wirst du ausführen, aber die Mittel und Wege, welche du dazu benutzt, sind oft verhüllt. Sie bedürfen keines Verbergens, denn sie sind an sich schon geheimnisvoll und unermesslich für das menschliche Verständnis. Anbetung sei dir, du Unerforschlicher! Aber wenn wir Gottes Wege auch nicht zu erforschen vermögen, so können wir ihm doch vertrauen, und eine Frömmigkeit, die einen nicht befähigt, Gott zu vertrauen, wo man ihn nicht erforschen noch sehen kann, wäre wenig wert.
Ps 77,21: Du führtest dein Volk wie eine Herde durch die Hand von Mose und Aaron.
Können wir, wenn wir auf Golgatha stehen, je daran zweifeln, dass Gott treu und gerecht ist und dass er in all seinem Handeln nie aufhört, Liebe zu sein? Hier haben wir das Licht, das uns jeden noch so schweren Weg erhellt. Wer wollte nicht stark sein im Glauben, wenn er sich auf einen so starken Arm stützen kann? Darf unser Vertrauen wankelmütig sein, wenn seine Macht doch außer aller Frage steht? Lass, liebe Seele, solche Erwägungen den letzten Rest des Misstrauens in dir bannen!
Der gute Hirte führt die Seinen wie Schafe: erstens mit großer Achtsamkeit, um sie vor Wölfen zu beschützen, zweitens mit Sorgfalt und Freundlichkeit, denn das Schaf ist ein harmloses Tier; drittens mit weiser Strenge, weil die Schafe sich leicht verlaufen.
Das war eine Auslegung und ein Kommentar zum Psalm (Ps) 77