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Bibelübersetzungen – Unterschiede

Einleitende Worte

Bei Bibelübersetzungen unterscheidet man zwei Pole. Zum einen die wortgetreuen Übersetzungen, die möglichst nah am Wortlaut sind (z.B. Elb, Sch2000 u.a.). Diese lassen oft die theologische Tiefe und Präzision eines Verses voll sichtbar werden. Zum anderen sie sinngemäßen Übersetzungen (HFA, NL u.a.). Diese sind oft leichter verständlich, besser zu lesen, glätten aber die Begriffe, die im Urtext oft starke geistliche und emotionale Spannungen ausdrücken. Es geht aus meiner Sicht nun nicht darum, zu entscheiden, welche Übersetzung „besser“ ist. Sie ergänzen sich vielmehr und ich lese bei einem Bibelvers meist eine moderne (HFA) und zeitgleiche eine textnahe (Sch2000) Übersetzung. In dieser Woche möchte ich sieben Bibelverse nehmen und die Unterschiede zwischen der textnahen und modernen Übersetzung aufzeigen. Das hilft, das Wort Gottes tiefer zu erfassen und sensiblisiert im Allgemeinen dafür, dass wir bei der Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes unterschiedliche Übersetzungen zur Hilfe nehmen dürfen.

1. Innerlich bewegt vs Mitleid

Er war innerlich bewegt. Mk 1,41 (ELB)

Jesus hatte Mitleid. Mk 1,41 (HFA)

Ein Aussätziger bittet Jesus um Heilung. Jesus reagiert. Er wurde innerlich bewegt. Das griechische Wort für „innerlich bewegt“  bezieht sich auf die körperlichen Eingeweide, der Sitz der tiefsten Emotionen im antiken Denken. Heute würden wir sagen: „Es ging ihm durch Mark und Bein“ oder „Er war tief erschüttert“. Jesus war also bis ins Innerste ergriffen, eine tiefe, körperlich empfundene Reaktion auf das Leiden dieses Menschen. In freieren, moderneren Übersetzungen wie „Jesus hatte Mitleid“ geht dieser tiefgreifende emotionale Nachdruck des Originals leider verloren. Jesus Reaktion des inneren Bewegtsteins ist keine bloße Geste der Güte, sondern ein Ausdruck tiefster göttlich-menschlicher Anteilnahme. Auch für dich. Auch für heute in Bezug auf dein Leiden.

2. Reinigen vs beschneiden

Jede Rebe, die Frucht bringt, die reinigt er. Joh 15,2 (ELB)

Die Frucht tragenden Reben beschneidet er. Joh 15,2 (HFA)

Im griechischen Text steht kathairei, was wortwörtlich bedeutet: reinigen, säubern. Manche moderne Übersetzungen verwenden hier sinngemäß das Wort beschneiden, weil es im Kontext eines Weinstocks üblich ist. Doch das Wort „reinigen“ geht tiefer. Dieses „Reinigen“  bedeutet mehr als nur ein gärtnerischer Schnitt, sondern nämlich eine geistliche Reinigung durch Gottes Wirken. Es geht also nicht nur um effizienzsteigerndes Beschneiden wie im Weinbau, sondern um eine innere Reinigung und Heiligung. Und wir wissen alle nur zu gut, dass wir diese Reinigung benötigen, gibt es doch so viel, was uns beschmutzt.

Rechtes Beten ist ein Vorgang der inneren Reinigung, der uns gottfähig und so gerade auch menschenfähig macht. Benedikt XVI

3. Magd vs „zur Verfügung stellen“

Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Lk 1,38 (ELB)

Ich will mich dem Herrn ganz zur Verfügung stellen, antwortete Maria. Lk 1,38 (HFA)

Siehe! Ein Ausruf, der Aufmerksamkeit erzeugt. Maria spricht ihn selbst. Das zeigt Stärke und Entschiedenheit, wird aber oft weggelassen in modernen Übersetzungen. Maria nennt sich Magd. Das griechische Wort bedeutet wörtlich Sklavin. Sie stellt sich vollkommen in Gottes Dienst. Maria bezeichnet sich nicht einfach als freiwillige Helferin, sondern als jemand, der sich ganz in den Dienst Gottes stellt, ohne Bedingungen, sie stellt sich ganz zur Verfügung. Auch Paulus nennt sich später Sklave bzw. Knecht Christi. Dies regt unser Denken über unser Sein an.

Die meisten Menschen ahnen nicht, was Gott aus ihnen machen könnte, wenn sie sich ihm nur zur Verfügung stellen würden. Ignatius von Loyola

4. Stecken & Stab

Dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich. Ps 23,4 (ELB)

Du beschützt mich und leitest mich, das macht mir Mut. Ps 23,4 (HFA)

Die Beschreibung der HFA Übersetzung ist natürlich inhaltlich korrekt, nimmt aber das Bild vom Stecken & Stab weg. Bilder aber verankern sich tiefer in Geist & Seele, als wortreiche Beschreibungen.

Der Stecken ist ein Stock in der Hand des Hirten. Er dient als Waffe, um den Angriff wilder Tiere auf die Herde abzuwehren. Jesus bewahrt die Seinen vor den Gefahren der Welt bewahren. Bei der Bewahrung durch den Stecken dürfen wir daran denken, dass unser Herr allmächtig ist und jeden Feind bezwingen kann.

Der Stab wird vom Hirten benutzt, um seine Schafe zu leiten. Wenn sie vom rechten Weg abkommen, bringt er sie mithilfe seines Stabs wieder zurück. So leitet Jesus uns auch auf gefahrvollen Wegstrecken sicher ans richtige Ziel. Bei der Leitung durch den Stab wird uns bewusst, dass unser Hirte allwissend ist und nie einen Fehler macht. Liegt darin nicht Trost?

5. Ringender Kampf vs Angst

Als Jesus in ringendem Kampf war, betete er intensiver. Lk 22,44 (ELB)

Jesus war von Angst und Grauen gepackt. Lk 22,44 (HFA)

Das griechische Wort agonia wird hier wörtlich als „ringender Kampf“ wiedergegeben. Es deutet auf einen inneren seelischen Kampf hin, ein Ringen auf Leben und Tod. Das vermittelt eine tiefe Dimension: Jesus hat nicht einfach nur Angst, sondern tritt aktiv in einen geistlichen Kampf, um den Willen des Vaters anzunehmen. Die Formulierung der HFA Übersetzung „von Angst und Grauen gepackt“  ist emotional zwar gut nachvollziehbar, aber eher passiv gehalten. Jesus wird „gepackt“, was den inneren Kampf weniger betont und die aktive Komponente der Entscheidung eher abschwächt. Wenn nun Jesus in allem unser Vorbild ist, das wir nachahmen, finden wir aber sowohl im ringenden Kampf (Elb), wie auch im Begriff der „Angst“ Anknüpfungpunkte für unser geistliches Leben.

6. Nicht zurechnen vs nicht nachtragend

Die Liebe rechnet Böses nicht zu. 1 Kor 13,5 (ELB)

Liebe ist nicht nachtragend. 1 Kor 13,5 (HFA)

Elberfelder (ELB) bleibt beim griechischen Wort logizetai, was ein Begriff aus der Buchführung ist: etwas anrechnen, verbuchen, aufrechnen. Das bedeutet: Liebe führt kein Buch über das Böse, sie rechnet es nicht an. Es geht tiefer als „nicht nachtragend sein“. Es ist ein bewusstes Nicht-Festhalten an Schuld – wie Gott in Christus uns die Sünde nicht anrechnet (vgl. 2. Kor 5,19). HFA übersetzt interpretativ „sie ist nicht nachtragend“. Das ist alltagsnäher, aber schwächt die Aussage ab. Es vermittelt eher ein Gefühl: nicht beleidigt bleiben. Es fehlt die aktive Entscheidung, keine Schuld zu „verbuchen“.

Wer beim anderen anfängt zu rechnen, aufzurechnen, abzurechnen, anzurechnen, der hört auf zu lieben. Kyrilla Spiecker

7. Dienen vs anbeten

Dient dem Herrn mit Freuden. Ps 100,2 (Sch 2000)

Betet ihn voll Freude an. Ps 100,2 (NLB 2006) 

Die moderne Übersetzung NLB 2006 interpretiert „dienen“ direkt im Sinne von Anbetung, was dem Kontext von Psalm 100 gerecht wird, einem Lobpsalm. Das Wort „dienen“ ist dagegen näher am Urtext dran. Die Wahl zwischen „dienen“ und „anbeten“ öffnet zwei Blickwinkel: Dienen legt den Schwerpunkt auf aktive Lebenshingabe, auch alltägliches Tun im Dienst Gottes. „Betet ihn voll Freude an“ betont eher den liturgischen und emotionalen Aspekt: Anbetung mit innerer Freude. Der Vers fordert letztlich zur freudigen Hingabe an Gott auf – sei es im alltäglichen Dienst oder im feierlichen Lobpreis. Beide Übersetzungen sind theologisch tragfähig – sie betonen nur unterschiedliche Dimensionen eines reichen hebräischen Begriffs: Dienen mit Freude ist nicht nur Tun, sondern auch Ausdruck freudiger Anbetung – eine ganzheitliche Haltung gegenüber Gott.

Wie sieht mein Dienst für Gott aus? Ist er freudig oder mühevoll? Und wenn ich ihn anbete – kommt die Freude aus einem Herzen, das ihn kennt?