Vergebung
Inhaltsverzeichnis
1. Ermunterung zur Vergebung
Jetzt müsst ihr ihm vergeben und ihn ermutigen, denn er soll nicht verzweifeln. 2 Kor 2,7
Es ist eine Freude, jemanden, der echte Reue zeigt zu vergeben. Dazu spornt Paulus die Korinther und auch uns an. Und dennoch: Wirkliches Vergeben ist manchmal ganz schön schwer, gerade wenn mir viel Böses angetan wurde. Und häufig kann es sein, dass dein Gegenüber die Vergebung gar nicht annehmen will. So oder so, wir spüren in unserem Herzen entweder die Bereitschaft oder auch den Widerwillen zu vergeben. Versuche stets den Widerwillen in Vergebungsbereitschaft zu wandeln. Gott will dir dabei helfen. Musst du noch jemandem vergeben?Was ist dir alles schon vergeben worden?
2. Prozess der Vergebung
Wenn ihr betet, dann vergebt zuerst allen, gegen die ihr einen Groll hegt, damit euer Vater im Himmel euch eure Sünden auch vergeben kann. Mt 11,25
Einander gerne vergeben ist nicht leicht vor allem, wenn wir eine schwere Beleidigung erlitten haben. Manche Menschen tragen anderen das Leben lang erlittene Kränkungen nach und werden dabei selber krank. Vieles kann uns beleidigen, uns Leid zufügen. Es kann ein kränkendes Wort sein, das alte Wunden in uns aufreißt. Jeder von uns hat seine empfindliche Stelle. Beleidigen kann auch ein Übergehen sein. Der andere beachtet uns gar nicht. Viele fühlen sich mit dem verzeihen überfordert. Seien wir uns im Klaren: nur in und mit Gottes Kraft ist uns das möglich. Und es ist oft ein langer Weg. Seien wir uns auch im Klaren: Wenn wir uns dem Weg der Vergebung komplett verweigern, gehen wir daran selbst kaputt. Wenn wir Vergebung dagegen richtig verstehen, ist sie nicht nur ein Werk der Barmherzigkeit dem Beleidiger gegenüber, sondern auch uns selbst gegenüber. Es tut uns selbst gut.
3. Massloses Vergeben
Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern. Mt 6,12
Bei der Vergebung geht es nicht um sentimentales Gutmenschentum, sondern um Leben und Tod. Darum sollen wir nach Jesus maßlos vergeben. Nicht dass wir dann als ach so tolle Menschen vor ihm da stehen und dadurch Gottes Lob und Anerkennung erwarten, sondern weil wir selbst uns aus den Fesseln der Verurteilung lösen, in der Vergebung selbst unseren Frieden finden. „Wo aber Vergebung ist, da ist Leben“ (Luther). Jesus sagt nicht, dass Vergebung einfach ist und mal kurz und eben schnell geht. Der Weg zum Leben ist bisweilen eng und steinig. Lass dir vergeben und vergebe. Lebe!
4. Reue ist eine Voraussetzung für Vergebung
Wenn dein Bruder sündigt, dann ermahne ihn, und wenn er Reue zeigt und von seinem Weg umkehrt, vergib ihm. Lk 17,3
Wer keine Erkenntnis der Schuld hat, der zeigt auch keine Reue. Wer keine Reue zeigt, dem kann auch nicht vergeben werden. Das deutsche Wort Reue meint ursprünglich traurig und betrübt zu sein, beschreibt also den seelischen Schmerz über etwas, das wir getan oder unterlassen haben mit dem Vorsatz, es zukünftig besser zu machen (=Buße). Reue bedeutet eine Veränderung des Herzens und die bewusste Entscheidung, umzukehren. Es geht nicht um eine oberflächliche und vorübergehende Umkehr, sondern um einen geistlichen Weg, der die Haltungen des Gewissens in der Tiefe betrifft und einen aufrichtigen Vorsatz zur Besserung verlangt. In wahrer Reue und in einem demütigen Herzen erst wird die Hoffnung auf Verzeihung geboren.
Die Reue ist innerlich im Herzen. Thomas von Aquin
5. Für die anderen
Vergebt einander, gleichwie auch Gott euch vergeben hat in Christus. Eph 4,32
Der Herr ruft uns deutlich zur Vergebung auf. Wenn uns jemand verletzt oder verärgert, sollen wir ihm vergeben. – Jesus, wir sind so schnell darin, jemanden beim Namen zu nennen und zu beschuldigen, so schnell darin, zu verurteilen, so anfällig dafür, an einem Groll, den wir gegen eine andere Person hegen, festzuhalten, auch wenn die Geschehnisse schon lange zurückliegen. Lehre uns, zu vergeben, Vater, wie du uns vergeben hast! Und ich frage mich: Würde ich mich selbst als einen vergebenden Menschen bezeichnen? Weiß ich, was mich daran hindert, zu vergeben? Gibt es jemanden, der mir besonders in den Sinn kommt? – Bring all dies zu Jesus. Und frage dich: Um welche Gnade/welchen Segen möchtest du Jesus in dieser Frage der Vergebung bitten? Maria Boeselager
6. Vergebt euch gegenseitig
Ertragt einander und vergebt euch gegenseitig, wenn jemand euch Unrecht getan hat. Denn auch Christus hat euch vergeben. Kol 3,13
Viele Male tragen wir ein Verzeichnis der Dinge mit uns herum, die uns angetan wurden. Das macht uns bitter und diese Bitterkeit lassen wir dann bei irgendeiner Gelegenheit wieder heraus. Ein Teufelskreis. Es gibt kein menschliches Zusammenleben ohne Verzeihung. Denn ob wir wollen oder nicht, immer wieder werden wir einander verletzen. Die Bereitschaft zur Vergebung betrifft nicht an erster Stelle Menschen, mit denen wir wenig zu tun haben, sondern die Allernächsten, denen wir am meisten unser Herz geöffnet und die uns tief verletzt haben: Dem Ehepartner, den Kinder, Eltern, Schwiegereltern, Nachbarn etc.
7. Um Vergebung bitten
Vergebt mir dieses Unrecht! 2 Kor 12,13
Das eine ist es, jemanden zu vergeben. Das andere ist, jemanden um Vergebung zu bitten. Das empfinden viele als bitter, weil wir uns vor Demütigung fürchten. Wie schwer fällt es uns, aus ganzem Herzen um Vergebung zu bitten! Da gehen wir bildhaft gesprochen in die Knie. Das ist oft schwerer als selbst zu vergeben. Mein Schlüsselerlebnis war folgendes: Streit mit einer Mitarbeiterin. Ein Jahr nicht miteinander gesprochen. Dann die Überwindung: Ich bat um Vergebung. Sie vergab mir und gestand auch ein, selbst nicht ganz unschuldig gewesen zu sein. Damals habe ich mir geschworen: Das passiert mir nie wieder! Wenn es Streit gibt, gehe ich spätestens am nächsten Morgen wieder auf den anderen zu.
8. Vergeben wollen – Wo ein Wille, da ein Weg
Vergebt euch gegenseitig, wie auch Gott euch durch Christus vergeben hat. Eph 4:32
Vergeben bedeutet nicht gutheißen, was uns zugefügt wurde. Nur wo etwas schlecht war, ist Vergebung überhaupt angebracht. Doch solange wir nicht vergeben wollen, bleiben auch wir selbst in der Fessel verhaftet, in die uns die Sünde des anderen geschlagen hat. Und wir bleiben darin gefangen. Es kann manchmal sehr lange dauern, bis man bereit ist, Vergebung zu schenken. Der Anfang ist gemacht, wenn der Wunsch zu vergeben in uns aufkeimt. Er holt uns aus der Passivität und löst die uns angelegte Fessel. Wir beginnen wieder unsere Würde in Anspruch zu nehmen, die der andere verletzt hat. Wir gelangen allmählich wieder zum Eigenbesitz unserer selbst. Achten wir auf unser Herz, dass es die Härte, die der Vergebung oft im Weg steht, überwindet.
Herzenshärte ist das Schändlichste von allem, weil sie keine Barmherzigkeit kennt, nichts von Liebe wissen will und weil sie nichts Gutes wirken kann. Hildegard von Bingen
9. Vergebung: 5 Schritte ( nach A. Grün)
1. Den Schmerz zulassen: Beleidigung nicht verharmlosen.
2. Wut zulassen: schafft Distanz, um wieder zu mir zu kommen
3. Ansehen und verstehen: die Beleidigung, den Beleidiger und mich selbst als Beleidigten verstehen, ohne zu bewerten.
4. Der Schritt zur Vergebung: aktiv befreie ich mich von der Macht des anderen, der mich beleidigt hat. Und ich befreie mich von der negativen Energie, die durch die Beleidigung des anderen noch in mir ist. Wenn ich nicht vergeben kann, bin ich noch an den anderen gebunden. Ich lasse meine Stimmung noch von ihm bestimmen. In der Vergebung reiße ich mich los von der Bindung an den anderen. Ich lasse ihn sein, wie er ist. Das bedeutet nicht, dass ich ihm gleich um den Hals falle. Es kann durchaus sein, dass ich noch längere Zeit des Abstands brauche, damit die Vergebung sich in mir durchsetzen kann, dass sie nicht nur ein Akt des Willens bleibt, sondern auch in mein Herz dringt.
5. Die Wunde wird zur Perle: Dort, wo ich verletzt worden bin, bin ich auch aufgebrochen worden für mein wahres Selbst. Meine Masken und Rollen wurden zerbrochen. Und durch die Wunde hindurch erkenne ich meine eigenen Fähigkeiten. Ich mache mich auf den Weg, bewusster zu leben.
10. Tut er mir bös, vergebend bin
Vergebt denen, die euch gekränkt haben. Vergesst nicht, dass der Herr euch vergeben hat. Kol 3,13
Achten wir darauf, dass wir im Inneren nicht eine Liste mit uns herum tragen, was uns alles an Bösen von anderen Menschen uns angetan wurde. Denn das macht uns bitter und diese Bitterkeit lassen wir dann bei irgendeiner Gelegenheit wieder heraus. Es gibt kein menschliches Zusammenleben ohne Verzeihung. Denn ob wir wollen oder nicht, immer wieder werden wir einander verletzen. Sicher ist das meist nicht einfach und mißlingt auch, aber es geht doch um die grundlegende Bereitschaft. Diese Bereitschaft zur Vergebung betrifft nicht an erster Stelle Menschen, mit denen wir wenig zu tun haben, sondern vor allem die Allernächsten, denen wir am meisten unser Herz geöffnet und die uns tief verletzt haben.
Tut er mir bös, vergebend bin …Vergebung ist die Macht, welche die Ketten der Bitterkeit und die Fesseln der Selbstsucht zerbricht. Corrie ten Boom
11. Freiheit zum Verzeihen
Ja, ich weiß, wie viele Verbrechen ihr begangen habt und wie groß eure Schuld ist. Amos 5:12
Die Freiheit zum Verzeihen ist denen leichter zugänglich, die auch an sich selbst Fehler sehen. Die Perfekten und Fehlerlosen tun sich außerordentlich schwer mit dem Verzeihen. Einfach und sehr wirkungsvoll ist für mich diese Übung: Hat mich jemand mit seinem Verhalten verletzt, dann frage ich mich, ob ich mit dem gleichen Verhalten auch schon einmal jemanden in gleicher Weise verletzt habe. Die Antwort lautet bei mir immer: Ja! Das fördert in mir die Empathie, dass der andere wie auch ich nur Menschen sind, die sich immer wieder auch verletzen. Gott sei’s gedankt für die Kraft zur Versöhnung.
12. Unversöhnlichkeit ist eine bittere Wurzel
Seht zu, dass keine bittere Wurzel wächst. Heb 12,15
Wenn wir uns weigern, zu vergeben, verschließt sich unser Herz. Die Unversöhnlichkeit ist eine bittere Wurzel, die uns geistig in Ketten legt, Mauern um uns errichtet und unser Herz zu Stein verhärtet. Ich war einmal fast ein Jahr mit einer Kollegin unversöhnlich. Welch grausame Zeit. Gott sei’s gedankt für die Kraft zur Versöhnung. Vor Gott nahm ich mir vor, dass es nie mehr so weit kommen darf. Unversöhnlichkeit hält uns gefangen und öffnet psychosomatischen und seelischen Krankheiten Tür und Tor. Hast du einen Menschen, mit dem du unversöhnt bist? Bitte Jesus, unseren Arzt, dass er die bittere Wurzel der Unversöhnlichkeit aus deinem Herzen reißt! Bitte ihm um die Gnade, allen alles verzeihen zu können!
Durch Unversöhnlichkeit richten wir eine Wand auf zwischen Gott und unserer Seele. Carl Eichhorn
13. Den Anderen unter das Kreuz Christi stellen
Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Lk 23,34
Eine Hilfe bei der Vergebung ist es, sich die andere Person mit unserem Herrn Jesus vorzustellen und zum Herrn zu sagen: „Ich liebe sie, weil Du sie liebst. Ich vergebe, weil Du vergibst.“ (Robert de Grandis) Indem wir einander vergeben, geben wir der Vergebung Jesu Raum. Wir erkennen in dem Anderen nicht mehr den, der uns etwas zuleide tat, sondern den, dem Christus am Kreuz die Vergebung erwirkt hat. Wir begegnen einander als die durch Jesu Kreuz Geheiligten.
Die größte Quelle des Glaubens ist die Betrachtung des Kreuzes Christi. Charles Spurgeon
14. Reue als Voraussetzung für Vergebung
Wenn er sich siebenmal am Tag gegen dich versündigt und siebenmal wieder zu dir kommt und sagt: Ich will mich ändern!, so sollst du ihm vergeben. Lk 17,4
Reue ist eine Voraussetzung für Vergebung. Wer keine Erkenntnis der Schuld hat, der zeigt auch keine Reue. Wer keine Reue zeigt, dem kann auch nicht vergeben werden. Das deutsche Wort Reue meint ursprünglich traurig und betrübt zu sein, beschreibt also den seelischen Schmerz über etwas, das wir getan oder unterlassen haben mit dem Vorsatz, es zukünftig besser zu machen (=Buße). Reue bedeutet eine Veränderung des Herzens und die bewusste Entscheidung, umzukehren. Es geht nicht um eine oberflächliche und vorübergehende Umkehr, sondern um einen geistlichen Weg, der die Haltungen des Gewissens in der Tiefe betrifft und einen aufrichtigen Vorsatz zur Besserung verlangt. In wahrer Reue und in einem demütigen Herzen erst wird die Hoffnung auf Verzeihung geboren.
Die Reue ist innerlich im Herzen. Thomas von Aquin
15. Vergebung steht immer am Ende
Und vergib uns unsere Schuld, wie wir unseren Schuldigern vergeben. Euer Vater im Himmel wird euch vergeben, wenn ihr den Menschen vergebt, die euch Unrecht getan haben. Mt 6:12;14
Verletzungen erzeugen Schmerz oder Wut. Solange dieser Schmerz, diese Wut in dir steckt, ist Vergebung nicht möglich. Vergebung steht immer am Ende der Wut und nicht am Anfang. Der Schmerz und die Wut muss gefühlt werden und darf nicht verdrängt werden: wir sind Menschen! Gefühle lassen sich nicht kontrollieren und bestimmen. Vergebung kann oft ein längerer Weg sein, wo sich Schmerz und Wut in Empathie und Liebe verwandelt. Nur dann kann sich echte Vergebung ereignen. Echte Vergebung ist es, wenn man an die andere Person denken und sich erinnern kann ohne Ärger, Zorn, Bitterkeit, Schmerz, Tränen, ohne ihr etwas nachzutragen.
Welch eine Beifeiung ist es, wenn man vergeben kann. Corrie Ten Boom
16. Vergib dir und den anderen
Vergebt einander, so wie Gott euch durch Jesus Christus vergeben hat. Eph 4,32
Vergebung ist keine einmalige Sache, Vergebung ist ein Lebensstil. Martin Luther King
Menschliches Miteinander kann nur aus der Vergebung heraus bestehen. Vergebung reinigt immer wieder die Atmosphäre und auch die Seele. So kann ich den andern wieder bedingungslos lieben, ohne inneren Vorwurf. Wenn Vergebung nicht geschieht, dann wächst die gegenseitige Aversion. Und irgendwann hat man den Eindruck, dass die Liebe in Hass umgeschlagen ist. Die Vergebung heißt zunächst, dass ich mich von der negativen Energie befreie, die durch die Verletzung in meiner eigenen Seele herumschwimmt und sie verunreinigt. Dann bedeutet Vergebung, dass ich die Verletzung beim andern lasse. Ich gebe sie weg. Ich kreise nicht mehr um sie. Ich benutze die Verletzung nicht als Vorwurf gegen den andern, sondern vergebe sie. Die Vergebung geschieht aber nicht aus einer Position des Stärkeren heraus. Immer vergebe ich zugleich mir selbst und dem andern. Nur dann geschieht die Vergebung so, dass der andere sie annehmen kann.