Loslassen

1. Zum Loslassen

Wer aber sein Leben in dieser Welt loslässt, wird es für alle Ewigkeit gewinnen. Joh 12,25

Loslassen ist das Grundmuster des Christseins. Ja, es ist geradezu die Definition für einen Christen: jemand, der sich selbst vollkommen losgelassen hat. Jemand, der alles aus der Hand gegeben hat. Der sich vollkommen an Christus verloren hat. Wer so in Christus beschenkt ist, wer so eine Sicherheit hat, dass für ihn gesorgt ist, der kann vertrauen. Der kann sich völlig hingeben, ohne Angst, verletzt oder benutzt zu werden. Es ist wie bei zwei Liebenden, die einander völlig schutzlos und nackt gegenübertreten können, die den Blick des anderen bis in die tiefste Seele zulassen und sich dabei liebevoll geborgen wissen.

Wer sein Leben für sich haben möchte, nur sich selber lebt, gerade der verliert das Leben. Es wird öde und leer. Nur im Loslassen seiner selbst, nur in der Freigabe des Ich für das Du, nur im Ja zum größeren Leben Gottes wird auch unser Leben weit und groß. So ist dieses Grundprinzip seines Reiches letztlich identisch mit der Liebe. Denn Liebe heißt sich loslassen, sich geben, nicht sich selber wollen, sondern frei werden von sich: nicht auf sich selber zurückschauen, was aus mir wird, sondern vorwärts schauen, auf den anderen, auf Gott hin und auf die Menschen, die er mir schickt.

2. Alles vergeht

Jedes Ereignis, alles auf der Welt hat seine Zeit: Umarmen und Loslassen. Koh 3,1

Alles vergeht im Großen: Himmel und Erde werden vergehen (Lk 21:33). Nichts bleibt übrig. Es ist ganz sicher, dass wir alles einmal loslassen und hergeben müssen. Spätestens am Ende unseres irdischen Lebens. Das Einzige, das wir dann mit hinüber nehmen können, ist unsere Seele. Ich denke immer wieder über meine Sterblichkeit nach.

Alles vergeht im Kleinen: Jeder Tag trägt Situationen des Loslassens in sich, Gefühle, Beziehungen, Verletzungen, sich selbst, den Tag selbst. Für den heutigen Tag nehme die Einsicht mit, dass die Herausforderung des Loslassens immer zu meinem Leben dazu gehören wird, ob es nun kleine oder große Loslass-Herausforderungen sind.

3. Verliert euch nicht an diese Welt

Verliert euch nicht an diese Welt. 1 Kor 7,31

Sich nicht an die Welt zu verlieren, beinhaltet die Notwendigkeit des Loslassens. Wichtig: Das bedeutet nicht in heiliger Gelassenheit über allen Dingen zu stehen. Wir nehmen uns mit Herz und Verstand allem an, was uns begegnet, mit Freud und Leid, das darin liegt. Loslassen bedeutet vielmehr, sich an alledem nicht zwanghaft zu klammern, nicht darin zu wühlen und grübeln, sondern alles, aber auch wirklich alles, im Vertrauen in Gottes Hände zu legen. Loszulassen bedeutet so, sich ganz bewusst dem Strom der Augenblicke hinzugeben, denn allein hier findet Gottesbegegnung statt, nicht nur an heiligen Orten, sondern vor allem auch im banal erscheinenden Alltag. Wenn ein Teil von dir an etwas festhalten will, dann probiere aus, ob dir das Loslassen eine tiefere Gottesbegegnung schenkt, als das Anheften.

Nachfolge geht nicht ohne Loslassen. Ballast muss abgeworfen werden. Gordon MacDonald

4. Was es bedeutet, loszulassen?

Wer aber sein Leben in dieser Welt loslässt, wird es für alle Ewigkeit gewinnen. Joh 12,25

Mir ist etwas subjektiv wichtig. Dann läuft es irgendwie anders. Einmal sind es Belanglosigkeiten, der Tagesplan gerät komplett durcheinander oder ein lieber Mensch sagt etwas, was mir gar nicht passt, ein anderes Mal geht es um Wesentliches wie enttäuschte Liebe, plötzliche Krankheit, Scheitern im Beruf etc. Immer wieder werden wir herausgefordert, loszulassen, obwohl wir festhalten möchten. Immer hat es etwas damit zu tun, eine Umklammerung zu lösen und immer dann verändert sich etwas, entsteht etwas Neues. Heute werde ich mich auf dieses Neue einlassen.

5. Loslösung und Entsagung

Wer aber sein Leben in dieser Welt loslässt, wird es für alle Ewigkeit gewinnen. Joh 12,25

Das Maß unseres inneren Friedens ist das Maß unserer Hingabe, also unserer Loslösung. Der Mensch, der sich an irgend etwas anklammert, der einen bestimmten Bereich seines Lebens für sich selbst reservieren will, um ihn nach eigenem Gutdünken zu organisieren, ohne sich vollständig in die Hände Gottes zu überlassen, hat eine schlechte Rechnung aufgestellt. Der heilige Johannes vom Kreuz drückt dies so aus: Alle Güter wurden mir geschenkt von dem Augenblick an, da ich sie nicht mehr gesucht habe. Jacques Philippe

Therese vom Kinde Jesu: Ah, wenn man wüßte, was man gewinnt, wenn man allen Dingen entssagt!

Kyrilla Spiecker: Greifen und Festhalten kann ich seit der Geburt.Teilen und schenken musste ich lernen. Jetzt übe  ich das Loslassen.

6. Vertrauen bedeutet loslassen

Wer aber sein Leben in dieser Welt loslässt, wird es für alle Ewigkeit gewinnen. Joh 12,25

Loslassen ist hart und schwer: loslassen von Menschen im Tod, loslassen von erlittenen Verletzungen, Loslassen übertriebener Erwartungen und vieles mehr. Das ist teils eine lebenslange Herausforderung und immer wieder neu kostet es Kraft. Allerdings führt kein Weg am Loslassen vorbei. Leben ist immer ein Loslassen im Großen wie im Kleinen. Vertrauen ist nichts anderes als Loslassen, bei allem Tun zu guter Letzt im Kern alles aus der eigenen Hand in Gottes Hand geben. Wenn wir loslassen, fallen wir nicht ins Bodenlose, sondern in die unbegreiflich große Liebe Gottes und in seine Fürsorge für uns.

Weil der Herr in uns gegenwärtig ist, können wir uns ausruhen und alles loslassen. Richard J. Foster

Ein letztes Loslassen unserer Selbst ist nur möglich, wenn wir dabei am Ende nicht ins Leere fallen, sondern in die Hände der ewigen Liebe hinein. Erst die Liebe Gottes, der sich selbst für uns und an uns verloren hat, ermöglicht auch uns, frei zu werden, loszulassen und so das Leben wirklich zu finden. Benedikt XVI

7. Worte von Anselm Grün

Wer aber sein Leben in dieser Welt loslässt, wird es für alle Ewigkeit gewinnen. Joh 12,25

Gelassen ist ein Mensch, der sein Ego losgelassen und sich in Gott hinein ergeben hat, der ruhig geworden ist in seinem Herzen, weil er sich in den göttlichen Grund hinein hat fallen lassen. Gelassenheit meint in der Mystik die Befreiung des Menschen von seinem eigenen Ich, das Leerwerden von allen Sorgen und Ängsten um sich selbst, damit Gott in unserem Herzen geboren werden kann. Gelassenheit als Haltung innerer Freiheit, innerer Ruhe, als gesunde Distanz zu dem, was von außen auf mich einströmt, was mich zu „besetzen“ und in Besitz zu nehmen droht, das ist nicht einfach eine Charakterhaltung. Sie kann auch eingeübt werden. Um zur Gelassenheit zu gelangen, muss ich vieles lassen. Anselm Grün

8. Spruch von den Wüstenvätern

Wenn du ein Gerät, ein Messer, eine Hacke oder irgendetwas anderes hast und du merkst, dass dein Denken sich daran klammert, wirf es weit von dir weg, damit du dein Denken lehrst, sich an nichts zu klammern als allein an Christus. Apophthegmata

Das heißt: Es ist ein hin und her. Wir stehen immer in der Gefahr, uns an etwas anderem fest zu halten als an Gott (Beruf, Beziehungen, Materielles etc.). Prüfe stets, an was du dein Herz und deine Gedanken bindest. Verurteile dich nicht, wenn’s passiert, denn es passiert, sondern sehe es als Einladung, dich wieder neu und ganz allein an Christus zu klammern, an sonst nichts.