Mt 7,3: Auslegung
Warum siehst du jeden kleinen Splitter im Auge deines Mitmenschen, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht? Mt 7:3
Jesus zeigt, dass wir im Allgemeinen viel toleranter gegenüber unserer eigenen Sünde sind als gegenüber der Sünde anderer.
Wenn wir über andere richten, dann erblindet unser Herz, wird blind für das eigene Böse in uns und blind für die Gnade, die eben nicht nur mir, sondern auch dem Anderen gilt. Der liebende Blick auf den anderen dagegen macht sehend. Er erkennt in der Liebe den Anderen als den, dem unter dem Kreuz ebenso vergeben wurde so wie mir. Wenn ich aus dieser Perspektive ein falsches Verhalten anspreche, dann ist es kein Urteil von oben, sondern von unten. Die Verantwortung den Splitter beim anderen raus zu ziehen bleibt. Aber nicht triumphierend, sondern es muss mir selbst wehtun. Das tut es, wenn ich in der Liebe bin.
In einer Versammlung sprachen die Väter viel über einen Bruder, der versagt hatte. Ein Altvater aber schwieg. Danach nahm dieser Altvater einen Sack, füllte ihn mit Sand und lud ihn auf seinen Rücken. Darauf tat er ein wenig von dem gleichen Sand in ein Körbchen und trug es vor sich her. Und als ihn die Väter fragten, was das bedeuten solle, antwortete er: Dieser Sack mit dem vielen Sand stellt meine Sünden dar, und weil es viele sind, habe ich sie auf meinen Rücken gepackt, damit ich sie nicht anzuschauen brauche. Dies bisschen Sand hier aber sind die Versäumnisse dieses Bruders. Die halte ich mir vor Augen und wühle in ihnen. Aber so soll man es nicht halten, sondern meine grössere Sündenmenge soll mir vor Augen stehen, und ich muss über sie nachdenken und Gott bitten, dass er mir vergibt. Apophthegmata